Sondervermögen

Sondervermögen für Soziales nicht für Kriege

18.06.2022

Von Tom Seeauge

Die von Kanzler Scholz in der „Zeitenwenden-Rede“ am 27. Februar 2022 im Reichstag angekündigten Kriegskredite (verharmlosend Sondervermögen genannt) in Höhe von 100 Milliarden Euro wurden in der vergangenen Woche, wie erwartet, in die Verfassung geschrieben.

Lühr Henken beschreibt in der UZ vom 17. Juni 2022 was das bedeutet: „Die 100 Milliarden setzen sich zusammen aus 81,9 Milliarden Euro für Kredite, 3 Milliarden Euro sind Zinsen für diese Kredite und 15 Milliarden Euro sind für Waffensysteme vorgesehen, die jetzt schon als Verpflichtungsermächtigungen im Bundeshaushalt stehen. Die Zurückzahlung der rund 85 Milliarden des „Sondervermögens“ soll spätestens ab dem 1.1.2031 beginnen. Einen Tilgungsplan gibt es noch nicht, aber es ist davon auszugehen, dass er auf 30 Jahre angelegt sein wird, so dass jährliche Zahlungen von gut 2,8 Milliarden Euro bis 2060 anstehen werden. Das ist Steuergeld.“

Weiter heißt es in dem Interview: „Gravierender als die 100 Milliarden wirkt sich langfristig die Erhöhung der deutschen Militärausgaben auf 2 Prozent vom BIP aus. Jährlich werden dafür 20 bis 25 Milliarden mehr verschwendet als letztes Jahr – mit steigender Tendenz. Das sind etwa 8 bis 10 Prozent der Sozialausgaben des Bundes. Kann dieser Militärbedarf durch Steuermehreinnahmen nicht gedeckt werden, geht’s an die Sozialausgaben.“

Begleitend zur Bewilligung des Kriegskredites verteuert sich das Leben in der BRD seit Monaten, nicht erst seit der Intervention Russlands in der Ukraine Ende Februar.

Laut Statistischem Bundesamt lagen die Verbraucherpreise im Mai um 7,9 Prozent über denen des Vorjahresmonats, ein Anstieg, so hoch wie noch nie seit 1990.

Haupttreiber der Inflation sind die Energiepreise. Gegenüber Jahresbeginn mussten die Werktätigen hierzulande im Mai für Energie 38 Prozent mehr ausgeben, Tendenz steigend. Der Preis für Heizöl stieg im Vergleich zu Mai 2021 um 100 Prozent, der von Erdgas um 50 Prozent. Mit der Energiepreisstopp-Kampagne greifen wir die Probleme der Arbeiterklasse auf und fordern einen gesetzlichen Preisstopp auf dem Niveau von Juni 2021.

Auch Kraftstoffe (+41%), Strom (+22%) und vor allem Lebensmittel (+11%) verteuerten sich. Dass die hiesige Propaganda erfolgreich ist, zeigt sich u.a. darin, dass viele Betroffene „Putins Krieg“ dafür verantwortlich machen, dass zu einem Großteil „Mitnahmeeffekte“ der Konzerne für die Anstiege verantwortlich sind, wird bewusst verschwiegen.

Regierung und Mineralölkonzerne gehen dabei Hand in Hand. Drei Milliarden Euro an „Tankrabatte“, die zur Entlastung für die Werktätigen gedacht waren (oder doch nicht?), können dann schon mal in die Taschen der Konzerne fließen (und dort bleiben).

Dass das „Ruinieren Russlands“ (Baerbock) nicht nur eine Floskel ist und nicht nur mit immer mehr Waffen an das Regime in Kiew erfolgen soll, zeigen parallel dazu die umfangreichen wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Sanktionen gegen Russland.

Dabei sollen wir dann im Winter nicht nur „für den Sieg frieren“ und „Strom sparen gegen Putin“, sondern es werden im Interesse des US-Imperialismus auch schon mal die Existenzen zehntausender Werktätiger, vor allem in Ostdeutschland, aufs Spiel gesetzt. Es wird in Kauf genommen, dass eine ganze Region in Brandenburg zum zweiten Mal nach dem Anschluss 1990 deindustrialisiert wird.

Wegen des angekündigten Embargos von russischem Erdöl ab 1. Januar 2023 sind 1.200 Arbeitsplätze im PCK-Werk in Schwedt gefährdet. Weitere 2.000 Arbeitsplätze sind in der Region Schwedt und insgesamt einige zehntausend in Ostdeutschland möglicherweise betroffen.

Sogar Ministerpräsident Woidke (SPD) schwant böses, wenn er sagt, dass man „darüber reden muss, ob dieses Embargo in Kraft treten kann“, wenn es „keine Garantien für Versorgung, Preise und Jobs“ (man achte auf die Reihenfolge) gebe.

Sondervermögen für die Bundeswehr plus „2-Prozent-Ziel“ und die Verschlechterung der Lebensbedingungen für die Mehrheit der Werktätigen und Rentner in der BRD sind die zwei Seiten einer Medaille. Sie sind Ausdruck und Folge u.a. dafür, dass

  • an einer schnellen Beendigung des Krieges in der Ukraine von den Herrschenden in der BRD kein Interesse besteht,
  • mit der kompletten Abkopplung von russischen Importen für die Energieerzeugung auf einen dauerhaften Bruch in den Beziehungen mit Russland hingearbeitet wird,
  • wir hierzulande in Zukunft auf weit größere Einschnitte in den Lebensbedingungen vorbereitet werden sollen,
  • die „Heimatfront“ auf die große „Auseinandersetzung“ der „westlichen Demokratien“ mit dem „systemischen Rivalen“ China vorbereitet werden soll.

Der Zusammenhang von Krieg und Hochrüstung und sozialer Lage der Bevölkerung weist aber auch den Weg, wie die Lebensbedingungen verbessert werden können.

Auf dem 24. Parteitag der DKP wurde mit großer Mehrheit ein Beschluss gefasst. Dieser trägt die Überschrift: Nein zum Krieg! Hochrüstung stoppen! Abrüsten statt Aufrüsten! Frieden geht nur mit Russland und China!

Der Beschluss endet mit den folgenden Forderungen:

  • Den Krieg stoppen! Verhandeln jetzt! Für eine neue ­Sicherheitsarchitektur für ganz Europa!
  • Gegen Hochrüstung! Kein Sondervermögen für die Bundeswehr! 2-Prozent-Ziel stoppen! Abrüsten statt Aufrüsten!
  • Keine Atombomber – Schluss mit der nuklearen Teilhabe!
  • Keine Stationierung von Hyperschallraketen in Deutschland! Abzug aller US-Raketen aus Deutschland! Büchel!
  • Stopp der Waffenlieferungen in die Ukraine! Keine Beteiligung an den EU-Battlegroups und Austritt aus der EU!
  • Keine militärische, politische und finanzielle Unterstützung des Kiewer Regimes!
  • Rücknahme der Sanktionen gegen Russland – Energiepreisstopp jetzt!
  • Stopp aller Bundeswehreinsätze!
  • Deutschland raus aus der NATO – NATO raus aus Deutschland!

Die Umsetzung dessen ist der Weg zur Umwidmung der Kriegskredite in ein wirkliches Sondervermögen für die Gesellschaft, z.B., für Milliarden in die öffentliche Verkehrsinfrastruktur, für die Sanierung von Schulen und Universitäten und für ein, vor allem personell, besser aufgestellten Gesundheitswesens.

Frage: Ist das im Kapitalismus möglich?