Leitantrag 22. Parteitag

Leitantrag an den 22. Parteitag der DKP

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Antrag des Parteivorstandes an den 22. Parteitag der DKP
2. – 4. März 2018, Frankfurt am Main

Die Offensive des Monopolkapitals stoppen.
Gegenkräfte formieren.
Eine Wende zu Friedens- und Abrüstungspolitik, zu demokratischem und sozialem Fortschritt erkämpfen

 

A. Grundlagen unserer antimonopolistischen Strategie

„So wie es ist, kann es nicht bleiben. Dieses ganze System ist ungerecht. Die da oben machen immer nur, was sie wollen. Es braucht eine Alternative.“ So oder ähnlich lauten Antworten auf Umfragen zur generellen Zufriedenheit oder Nichtzufriedenheit durch Meinungsforschungsinstitute. Selbst eine Aussage wie „Wir brauchen eine ‚linke Revolution‘ fand vor nicht allzu langer Zeit bei einer repräsentativen Befragung der Freien Universität Berlin eine Zustimmungsquote von 25 Prozent. Viele fordern einen grundsätzlich anderen, nichtkapitalistischen Entwicklungsweg.

Die traditionellen bürgerlich-konservativen, liberalen und sozialdemokratischen Parteien verlieren in vielen Ländern an Integrationskraft. Von der Enttäuschung über die Folgen ihrer sozialreaktionären Politik profitieren aber ausgesprochene Vertreter des Großkapitals, Rechtskräfte und Reaktionäre, wie Marine Le Pen und Emmanuel Macron in Frankreich oder Donald Trump in den USA.

Doch auch linkssozialdemokratische, am außerparlamentarischen Kampf und an den Gewerkschaften orientierte Wahlbewegungen, wie die von Bernie Sanders in den USA oder Jeremy Corbyn in Großbritannien, haben Zulauf. Was haben in dieser Situation Kommunistinnen und Kommunisten zur Lösung der Probleme der Lohnabhängigen, zur Stärkung ihres selbstständigen Handelns und ihrer Widerstandskraft beizutragen? Welche langfristige Strategie bieten sie an?

I. Der Imperialismus, seine Entwicklungsetappen und die Analyse der Kommunistinnen und Kommunisten

Die DKP ist eine marxistisch-leninistische Partei. Die Grundlage der Strategie der DKP ist der wissenschaftliche Sozialismus, der von Marx, Engels und Lenin begründet wurde und ständig weiterentwickelt werden muss, damit er nicht hinter den gesellschaftlichen Realitäten zurückbleibt. Für die Analyse des heutigen Kapitalismus und die sich daraus ergebenden strategischen Schlussfolgerungen kommt der Imperialismustheorie Lenins sowie seiner Revolutionstheorie eine besondere Bedeutung zu.

Imperialismus ist der monopolistische Kapitalismus. Die ihn prägenden nationalen und multinationalen Monopole sind das Resultat der Konzentration und Zentralisation des Kapitals. Das kapitalistische Monopol ist die Verbindung ökonomischer und außerökonomischer Macht zum Zweck der Erlangung von Extraprofit, die sich politisch als Tendenz zum Militarismus, zum Krieg und zur Verneinung der Demokratie bis hin zum Faschismus ausdrückt.

Im Imperialismus, dem „höchsten Stadium des Kapitalismus“, nimmt der Vergesellschaftungsgrad der Produktion ein solches Ausmaß an, dass sich die Rolle der Eigentümer der Produktionsmittel und des Finanzkapitals schon lange auf das Abschöpfen der Profite reduziert.

Im Imperialismus wächst das Bankkapital mit dem Industriekapital zusammen und bildet das Finanzkapital. Zudem übertrifft der Kapitalexport die Bedeutung des Warenexports. Deshalb spricht Lenin von der „Epoche des Finanzkapitals“. Dessen Elite ist die Finanzoligarchie.

Im Imperialismus bilden sich internationale monopolistische Kapitalverbände, die die Welt unter sich aufteilen. Der Kampf um die Neuaufteilung der Welt wird heute vorrangig durch den Einsatz finanzieller und ökonomischer Machtmittel geführt, aber auch unter Einsatz militärischer Gewalt, mit arrangierten Putschen, durch erzwungene „regime changes“, die Zerschlagung souveräner Staaten und territoriale Eroberungskriege.

Der staatsmonopolistische Kapitalismus

Mit der Entstehung und Entwicklung des Imperialismus wandelt sich auch die Rolle des Staates. Der moderne staatsmonopolistische Kapitalismus (Stamokap) bildet sich heraus. Er war ursprünglich das Produkt des kapitalistischen Militarismus, entstanden im I. Weltkrieg aus den Bedürfnissen der Zentralisierung der Rüstungsproduktion und der Umstellung der Zivilproduktion für den Krieg. Voll und dauerhaft herausgebildet hat sich der Stamokap während und nach dem zweiten Weltkrieg.

Der Stamokap stellt die Vereinigung der Macht der stärksten Monopole mit dem Staats- und Militärapparat zu einem einheitlichen, wenngleich nicht widerspruchsfreien neuen Herrschaftsmechanismus dar. Im Stamokap nutzen und brauchen die Monopole den Staat zur Akkumulation von Kapital und um Extraprofit abzuschöpfen – der Staat betätigt sich selbst verstärkt als Kapitalist. Er wird selbst Eigentümer großer Produktionseinheiten und Unternehmen sowie wichtiger Bestandteile der Infrastruktur des Landes.

Zugleich schafft der Stamokap aber auch objektiv neue historische Möglichkeiten zum Bruch mit dem Kapitalismus und für den Übergang zum Sozialismus. Es entsteht eine Art Brücke hin zur nächsthöheren Gesellschaftsformation. Der hohe Grad gesellschaftlicher Produktion und die enge Verflechtung zwischen ökonomischer und politischer Macht schaffen die objektiven Voraussetzungen zum Bruch mit dem kapitalistischen System. Es fehlt allerdings der veränderte politische Überbau. Die Macht liegt in den Händen der Kapitalisten und ihres Staates. Das Privateigentum dominiert weiterhin. Es wird durch das staatliche Eigentum an Produktionsmitteln lediglich ergänzt. Die Demokratie ist weiterhin eine bürgerlich-kapitalistische, der Staatsapparat bleibt ein Instrument der Kapitalistenklasse, ein „ideeller Gesamtkapitalist“.

Der Stamokap schafft also die materiellen Voraussetzungen für den Übergang zum Sozialismus. Die politischen Voraussetzungen müssen durch die grundlegende Umwälzung der politischen Machtverhältnisse und den Sturz der herrschenden Kapitalistenklasse, das heißt durch eine sozialistische Revolution geschaffen werden.

Im Prozess des Herankommens, der Vorbereitung und des Übergangs zu dieser sozialistischen Umwälzung kann ein nächster Zwischenschritt nach dem Stopp der Offensive des Kapitals das Erkämpfen einer revolutionär-demokratischen Etappe sein. Dabei wird die Macht der Monopole noch weiter geschwächt und zurückgedrängt und es werden immer stärkere politische Bastionen der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten gebildet, so dass der Klassenkampf bis unmittelbar an den revolutionären Bruch und an die endgültige Lösung der Machtfrage herangeführt wird.

Die Perspektive, die sich aus diesem neuen Verhältnis zwischen Staat und Mono­­polen aufdrängt, beschrieb Lenin so: „Man wird sehen, dass der staats­-monopolistische Kapitalismus in einem wirklich revolutionär-demo­kratischen Staate unweigerlich, unvermeidlich einen Schritt, ja mehrere Schritte zum Sozialismus hin bedeutet! … Hier gibt es keinen Mittelweg. Der objektive Gang der Entwicklung ist derart, dass man von den Monopolen aus (…) nicht vorwärtsschreiten kann, ohne zum Sozialismus zu schreiten.“
(LW 25, Seite 368 f.)
Und: „Der Sozialismus … schaut jetzt bereits durch alle Fenster des modernen Kapitalismus auf uns; in jeder großen Maßnahme, die auf der Grundlage dieses jüngsten Kapitalismus einen Schritt vorwärts bedeutet, zeichnet sich der Sozialismus unmittelbar, in der Praxis ab.“
(LW 25, Seite 370)

Lenin machte diese Aussagen vor 100 Jahren kurz vor der Oktoberrevolution. Heute sind einerseits die objektiven materiellen Voraussetzungen noch weiter ausgereift als damals. Andererseits ist, anders als vor 100 Jahren, der subjektive Faktor auf absehbare Zeit weder für eine demokratische noch für eine sozialistische Umwälzung herangereift. Nicht zuletzt aufgrund der Niederlage des realen Sozialismus in Europa befinden wir uns in einer langanhaltenden Defensive und müssen quasi von vorn beginnen.

Etappen des Imperialismus und des Klassenkampfes

Der Imperialismus, das „höchste Stadium des Kapitalismus“, hat bereits eine längere Entwicklungsgeschichte, die nun schon mehr als 130 Jahre dauert. Seine jetzige Gestalt hat er über mehrere Etappen erreicht.

Die erste Etappe ist die Periode der Herausbildung des Imperialismus seit den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts und seine frühe Entwicklungsstufe ohne das Gegengewicht des realen Sozialismus. Sie bringt den ersten imperialistischen Weltkrieg hervor, in dessen Folge der junge und aufstrebende US-Imperialismus den britischen Imperialismus als globale Führungsmacht ablöst. Aber zugleich ist sie auch eine Periode der Entwicklung einflussreicher revolutionärer Organisationen der Arbeiterbewegung, der internationalen Sozialdemokratie, und in Russland vor allem der Partei Lenins, der Bolschewiki.

Die zweite Etappe reicht von der Oktoberrevolution bis zum Ende des 2. Weltkriegs. Der „klassische Imperialismus“ zeigt seine widersprüchliche und typisch krisenhafte Entwicklung nun unter den Bedingungen der Existenz eines starken sozialistischen Gegenpols, der Sowjetunion. In den Zentren des Imperialismus setzen sich immer größere Teile der Arbeiterklasse gegen Not und Ausbeutung zur Wehr. Die Kommunistischen Parteien, die sich in der Kommunistischen Internationale zusammenschließen, gewinnen in etlichen imperialistischen Ländern Masseneinfluss. Die Leninsche Strategie der Einheitsfront der Arbeiterklasse und die Losung „Heran an die Massen“ wird zum Schlüssel für das „Herankommen an die sozialistische Revolution“ und die Suche nach Übergängen zum revolutionären Bruch mit dem Kapitalismus-Imperialismus.

Auf die Große Weltwirtschaftskrise ab 1929, die die allgemeine Krise des Systems verschärft, findet der Imperialismus eine zweifache Antwort: Der reaktionärste Teil der imperialistischen Bourgeoisie sucht einen Ausweg aus der Systemkrise in Form des Faschismus und eines neuen weltweiten Kriegs um die Aufteilung der Welt. Mit der Politik des New Deal in den USA wird eine historische Ausnahmeperiode in der Geschichte des Kapitalismus eingeleitet, die man als „Klassenkompromiss“ bezeichnen kann. Sie wird nach 1945 die Entwicklung auch in Westeuropa und in Japan für drei Jahrzehnte prägen. Der 2. Weltkrieg beendet mit einem qualitativen Einschnitt diese Entwicklungsetappe des Imperialismus.

Es beginnt seine dritte Etappe: Der Kampf der Anti-Hitler-Koalition endet nicht, wie die reaktionären Kreise in den imperialistischen Staaten hoffen, mit der Schwächung, sondern mit der Stärkung des Sozialismus. Von Osteuropa bis zur Elbe wird in vielen Staaten der Sozialismus aufgebaut.

Der deutsche Imperialismus ist geschwächt. Ihm wird zwar von den USA wieder auf die Beine geholfen, aber seine Macht wird durch die Existenz der sozialistischen DDR begrenzt. Die chinesische Revolution stärkt zunächst den sozialistischen Block. Dem sozialistischen Staatenbündnis gelingt es, politisch, ökonomisch, militärisch und ideologisch eine Alternative zum kapitalistischen System zu entwickeln. Es erkämpft unter großen ökonomischen Anstrengungen ein militärisches und politisches Gleichgewicht zum Imperialismus.

Diese dritte Etappe des Imperialismus ist auch gekennzeichnet durch die Reaktion des Imperialismus auf das stark gewordene sozialistische Lager, auf den Aufschwung der Arbeiterbewegung in den imperialistischen Ländern und den erfolgreichen Kampf der Völker gegen den Kolonialismus. Die Periode des Klassenkompromisses erreicht ihre Hochzeit.

Im Innern betreiben das herrschende Monopolkapital und seine Regierungen eine Wirtschaftspolitik der Zugeständnisse, die den unteren Klassen und Schichten einen relativ hohen Anteil am erwirtschafteten Produkt lässt. Die Arbeiterbewegung kann Verbesserungen ihrer Lage durchsetzen und die Ausbeutungsrate verringert sich. Im Äußeren werden der Machtkampf und die ökonomische Konkurrenz der imperialistischen Staaten untereinander unter der eindeutigen Vorherrschaft der USA begrenzt, die Freiheit des Finanzkapitals wird ein wenig eingedämmt. Beides hatte zur Folge, dass das wirtschaftliche Wachstum hoch und die Arbeitslosigkeit relativ niedrig waren. Daher werden die Jahre 1945 bis 1975 nach den Worten von Eric Hobsbawm „die goldenen 30 Jahre des Kapitalismus“ genannt.

In dieser Periode ist die Integrationskraft des monopolkapitalistischen Systems größer denn je. Die Gewerkschaften orientieren auf den Klassenkompromiss. Die Sozialdemokratie rückt nach rechts und entsorgt den Marxismus. Im Westen verlieren viele kommunistische Parteien ihre Massenbasis.

In den regierenden kommunistischen Parteien wächst die Tendenz, den Imperialismus zu unterschätzen, und die falsche Hoffnung, sich dauerhaft mit ihm arrangieren zu können. Diese Illusion wird genährt durch die Stärke des sozialistischen Blocks, den Sieg über den US-Imperialismus in Vietnam, Laos und Kambodscha, die Befreiungskämpfe in Afrika, den Zerfall des Kolonialsystems, die Durchsetzung der Politik der friedlichen Koexistenz in Europa und den Aufschwung der Arbeiter- und der Studentenbewegung. Es entsteht der Eindruck, der Imperialismus habe in den 1970er Jahren einen Tiefpunkt seiner Geschichte erreicht.

In der vierten Etappe setzen die staatsmonopolistischen Oligarchien wichtiger imperialistischer Länder schrittweise das sogenannte „neoliberale Modell“ als sozialreaktionären Ausweg aus der Weltwirtschaftskrise 1974/75 durch. Ende der 70er wird der „Neoliberalismus“ zur Grundlage der offiziellen Wirtschaftspolitik in Großbritannien unter Margret Thatcher und Anfang der 80er unter der Präsidentschaft von Ronald Reagan auch in den USA.

Der Neoliberalismus ist der Wechsel zu einer in ihrem Kern offensiven sozial- reaktionären Politik- und Herrschaftskonzeption. Die Strategie des Monopolkapitals besteht aus dem Dreiklang Deregulierung, Privatisierung und Schwächung der Gewerkschaften durch ihre Integration, den Abbau ihrer Rechte bis hin zu ihrer Zerschlagung. Das führt zu einer brutalen Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von unten nach oben.

In diese Periode fallen zahlreiche Niederlagen der internationalen Arbeiter­bewegung und der antiimperialistischen Kräfte, in denen die Errungenschaften der „Goldenen Jahre“ rückgängig gemacht werden. Kennzeichen sind die Erhöhung der Ausbeutungsrate, sinkende Durchschnittslöhne, steigende Erwerbslosigkeit besonders unter Jugendlichen, Armut und ansteigende Obdachlosigkeit, das Sinken des Rentenniveaus und die Einschränkung staatlicher Leistungen für Gesundheit und Erziehung, die Belastung der Armen mit Verbrauchssteuern bei Entlastung der Reichen durch Senkung ihrer Einkommensteuer und der praktischen Abschaffung der Erbschafts- und Vermögensteuer. Der US- Multimilliardär und Finanzoligarch Warren Buffett brachte es auf den Punkt: „Es herrscht Klassenkampf, und meine Klasse gewinnt.“

Die größte Niederlage ist in dieser Etappe die Konterrevolution gegen die Sowjetunion und die sozialistischen Staaten in Europa. Die Niederlage des realen Sozialismus erweitert das Gebiet des Kapitalismus sprunghaft. Hunderte Millionen Menschen werden in das System der Mehrwertproduktion gezwungen.

Quantitativ bedeutender noch ist die Öffnung Chinas für den Weltmarkt, durch die neue Anlagemöglichkeiten für den bereits angehäuften Profit entstehen. Nicht zuletzt dadurch verschiebt sich die eigentlich bevorstehende nächste Überproduktionskrise. Der Imperialismus expandiert. Diese Periode der Offensive des Kapitals dauert bis zur Krise 2007 an.

 

II. Der Charakter der Krise 2007

Die Finanz- und Weltwirtschaftskrise seit 2007 und der sich verschärfende Konkurrenzkampf zwischen den imperialistischen Hauptmächten deuten an, dass auch die Dominanz des neoliberalen Modells zu Ende gehen wird. Die Krise seit 2007 ist eine für den Kapitalismus typische Überproduktions- und chronische Überakkumulationskrise. Sie ist Resultat des Grundwiderspruchs zwischen immer stärkerer Vergesellschaftung der Produktion und immer umfassenderer privater Aneignung.

„Der letzte Grund aller wirklichen Krisen bleibt immer die Armut und Konsumtionsbeschränkung der Massen gegenüber dem Trieb der kapitalistischen Produktion, die Produktivkräfte so zu entwickeln, als ob nur die absolute Konsumtionsfähigkeit der Gesellschaft ihre Grenze bilde.“
(Karl Marx)

Bei der Krise von 2007 handelt es sich nicht nur um eine der regelmäßigen Konjunkturkrisen oder Rezessionen. Sie ist keine regionale, sondern eine weltweite Krise, die in den imperialistischen Hauptländern Europas, Nordamerikas und in Japan den stärksten Einbruch von Produktion und Bruttosozialprodukt seit dem 2. Weltkrieg hervorgerufen hat. Sie beeinträchtigt in ganz besonderer Weise den US-Imperialismus und gefährdet seine Vorherrschaft.

Die Krise ist damit historisch vergleichbar mit der großen Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts und mit der schwerwiegenden Krise der 70er Jahre, die ebenfalls durch eine tiefe Rezession gekennzeichnet war, alle kapitalistischen Länder erfasste und die Prosperitätsperiode der Nachkriegszeit beendete.

In diesem Sinne ist die Krise von 2007 eine Umbruchkrise der Weltwirtschaft. Sie hat die Offensive des Kapitals zwar nur vorübergehend gestoppt und behindert, aber auch ihre Grenzen gezeigt. Die Offensive des Kapitals zeigt Risse und die innerimperialistischen Widersprüche verschärfen sich.

Zentrale Dogmen des neoliberalen Modells haben sich als Mythos entpuppt. Der Markt regelt eben doch nicht alles „ganz von allein“. Der Zusammenbruch des Finanzsektors und des Geldwesens wurde durch den massiven Einsatz von Steuergeldern und staatlich garantierter Geldschöpfung vermieden. Krisenmildernd war die Entwicklung einiger Schwellenländer, vor allem Chinas, die ihren Akkumulationsprozess fortsetzen konnten, obwohl sich die alten kapitalistischen Zentren in der Krise befanden.

Der reinigende Charakter der kapitalistischen Krise ist ausgeblieben. Das überschüssige Kapital ist keineswegs auf breiter Front beseitigt oder wenigstens entwertet und ein klassischer Wirtschaftsaufschwung ist ausgeblieben. Der Drang, die inneren Widersprüche durch Rüstungskeynesianismus, Militarismus und Kriege und auf Kosten der Umwelt zu lösen, nimmt zu.

Immer deutlicher wird: Je länger der Imperialismus existiert, desto stärker gefährdet er das Überleben der Menschheit. Er perfektioniert nicht nur das System der Ausbeutung der Arbeitskraft, er untergräbt auch die natürlichen Grundlagen des Lebens auf unserem Planeten. Kriege und der Raubbau an den klimatischen und ökologischen Grundlagen bedrohen alle Arten und Gattungen der auf diesem Planeten lebenden Flora und Fauna und damit auch die Grundlagen menschlichen Lebens.

 

III. Produktivkraftentwicklung und Entwicklung der Hauptklassen

Seit den 1950er Jahren und beschleunigt seit den 1970er Jahren bestimmt die wissenschaftlich-technische Revolution Tempo und Umfang der Kapital­akkumulation.

Dabei stellt die sogenannte digitale Revolution nur einen von mehreren Bausteinen der neuen Etappe der wissenschaftlich-technischen Revolution dar. Neuro- und Mikrobiologie, Nanotechnik, die Eingriffe in das menschliche, tierische und pflanzliche Erbgut erlauben, Kern- und Elementar­teilchenphysik, Erfolge in der Neurobio- und -psychologie, Fortschritte in der Biochemie und Kosmosforschung zeigen, welche Höhen und zugleich Tiefen der von der kapitalistischen Produktionsweise angetriebene wissenschaftlich- technische Fortschritt erzielt.

Mit dem neuen Produktivkraftsprung wird teilweise ein qualitativ neues Unter­werfungsverhältnis der Produzenten unter ihre eigenen Produkte erreicht. Die von der kapitalistischen Produktionsweise hervorgerufene Entfremdung zwischen den Menschen, zwischen Mensch und Natur und der Menschen zur Arbeit und ihren eigenen Produkten erfährt neue Qualitäten. Das Verhältnis des Menschen zu der in der modernen Technologie vergegenständlichten menschlichen Arbeitskraft – sprich, die Beziehung zwischen den Produzenten und den Arbeitsmitteln als Produkte ihrer eigenen geistig-körperlichen Fähigkeiten – erreicht eine neue Stufe der Entfremdung.

Das geht weit über Fragen der Arbeitsorganisation, ungeregelter Arbeitszeiten, des Zwangs zu ständiger Verfügbarkeit, der permanenten Entwertung beruflicher Qualifikationen und des Drucks zur Perfektionierung beruflichen Fachwissens nach den Vorgaben des Kapitals hinaus. Wenn schon Marx davon spricht, dass die Verwandlung der Wissenschaft in eine unmittelbare Produktivkraft dazu führt, dass der arbeitende Mensch aus der Rolle des unmittelbaren Produzenten heraustritt und zum „Regulator und Wächter“ über den von Maschinen
durchgeführten unmittelbaren Produktionsprozess wird, er damit also nicht mehr nur „Be-Diener“ der Maschinen wird, sondern in wachsendem Maße ihr Kontrolleur, so verkehrt sich dieses „Herr-Diener-Verhältnis“ zunehmend. Immer mehr Lohnabhängige sind den Folgen des neuen Produktivkraftsprunges nicht gewachsen. Depressionen und Burn-Out sind Volkskrankheiten geworden. Das ist nur eine der vielfältigen Konsequenzen dieser Entwicklung.

In der Kontinuität der schon bedeutend älteren Digitalisierungsentwicklung markiert die Entwicklung des Internets seit den 1990er Jahren die technologische Grundlage für einen weiteren Sprung in der Produktivkraftentwicklung. Die Digitalisierung durchdringt sämtliche Bereiche der Gesellschaft. So ist schließlich eine neue materielle Wirkebene entstanden, auf der sozialer Austausch und Kommunikation zwischen Menschen an unterschiedlichen Orten in Echtzeit stattfindet – bis hin zu wirtschaftlichen Kooperationsbeziehungen, inklusive der Organisation von Arbeit und Produktion. Es gibt heute so gut wie keinen Bereich in Produktion oder Verwaltung mehr, der ohne die Unterstützung digitaler Systeme funktioniert.

Die Kampagne des deutschen Monopolkapitals unter dem Titel „Industrie 4.0“ beschreibt den eigentlichen Kern des Produktivkraftsprungs nur unzutreffend. Sie unterschlägt sowohl die Kontinuität der Digitalisierungsentwicklung seit spätestens den 70er Jahren, als auch die neue Qualität, die diese materielle Wirkebene auf der Basis des Internets für die sozialen Austauschbeziehungen in der Gesellschaft bedeutet. Sie blendet zweitens die Instrumentalisierung dieser Technologie für die Intensivierung der kapitalistischen Ausbeutung aus.

Mit dem Aufstieg der IT-Industrie zu einer neuen Leitindustrie kommt es zu weitreichenden Strukturveränderungen auf der Kapitalseite. Die Herausbildung einer neuen Stufe der Trennung von Hand- und Kopfarbeit verändert zugleich die Zusammensetzung der Arbeiterklasse.

Strukturveränderungen auf der Seite des Kapitals

Die abgepressten Profitmassen finden im wissenschaftlich angetriebenen und beschleunigten Innovationszyklus neue potenziell profitable Anlagemöglichkeiten. Gleichzeitig verschärft sich die Abhängigkeit der nicht-monopolistischen Bour­geoisie von den Monopolen, die zum Beispiel mittelständischen In­dus­trie­unter­nehmen neue Standards über die digitale Vernetzung der Wert­schöp­fungs­prozesse diktieren und den steigenden Kostendruck an die Kette kleiner Zulieferunternehmen weiterreichen können.

Es kommt auch zu qualitativen Strukturveränderungen innerhalb des Monopolkapitals selbst. Wichtige traditionelle Industriekonzerne wie Siemens oder Bosch entwickeln sich partiell und zunehmend zu Software-Unternehmen und bauen ihre Geschäftsfelder in diese Richtung aus.

Mit dem absehbaren Ende des Dieselmotors und der Bedeutungszunahme der Elektromobilität, der Sensortechnik bis hin zur künstlichen Intelligenz steht auch die Automobilindustrie, in der Software- und Datenkompetenz eine immer größere Rolle spielen, vor einem Umbruch. Umgekehrt brechen IT-Konzerne wie SAP, Google oder Amazon immer tiefer in die Geschäftsfelder der klassischen Industrie ein. Die Frage der Hoheit und Kontrolle über die riesigen Datenmengen wird dabei zu einer strategischen Machtfrage in immer mehr Wirtschaftsbereichen, weit über die Informations- und Telekommunikationsbranche hinaus. Gleiches gilt für die Kontrolle der IT-basierten Infrastrukturen im sogenannten „Internet der Dinge“.

Auch die Machtbeziehungen zwischen den imperialistischen Großmächten ver­schieben sich. Das Regierungsprogramm „Industrie 4.0“ betont die Führungsrolle des deutschen Monopolkapitals in der Produktionstechnik und der elektronischen Maschinensteuerung. Es zielt darauf ab, eine eigene, von den USA unabhängige IT-Infrastruktur zu entwickeln, um zu verhindern, dass die deutsche Industrie zur Werkbank US-amerikanischer IT-Giganten wie Google oder Apple wird.

Strukturveränderungen auf der Seite der Arbeiterklasse

Mit der Verwandlung der Wissenschaft in eine „unmittelbare Produktivkraft“, so wissen wir seit Marx, verändert sich die Rolle der lebendigen Arbeit für den Kapitalverwertungsprozess. Vor dem Hintergrund der kapitalistischen Produktions- und Eigentumsverhältnisse besteht die Haupttendenz darin, dass mit dem zunehmenden Ausschluss immer größerer Teile der Arbeiterklasse aus dem Verwertungsprozess die Potenziale der menschlichen Produktivkraft ver­schwendet werden. Diese Tendenz zur umfassenden Prekarisierung beeinträchtigt das Kräfteverhältnis zwischen Kapital und Arbeit schon heute zuungunsten der Arbeiterklasse. Das wird durch eine neue Rationalisierungswelle noch verstärkt werden.

In den hochentwickelten imperialistischen Staaten hat der Anteil der Industrie­ angestellten in den Unternehmen und unter ihnen wiederum der Anteil der wissenschaftlich-technischen Intelligenz bereits seit den 50erJahren be­ständig zugenommen. Die relative Autonomie und höhere Einstufung in der innerbetrieblichen Hierarchie wird bei den genannten Schichten der Lohn­ abhängigen abgesenkt. Moralischer Verschleiß, Dequalifizierungsprozesse und die daraus resultierende Tendenz zur Entwertung ihrer Arbeitskraft rückt sie näher an den Status der Masse der Lohnabhängigen heran.

Insbesondere in niedrig- und mittelqualifizierten Angestelltenbereichen wird es im Zuge neuer Automatisierungsmöglichkeiten zum weiteren Abbau von Arbeits­plätzen kommen. Zum anderen werden zunehmend Methoden der Arbeitsorganisation aus der Fabrik in die Büros übertragen (wie zum Beispiel der Lean Production bzw. des sogenannten Toyota-Produktionssystems), um die Handlungsspielräume und Kontrollmöglichkeiten der Angestellten ein­ zu­ schränken. Nicht zuletzt führen neue Formen der datenbasierten Kontrolle der Arbeitsprozesse in allen Bereichen zu einer Intensivierung der Ausbeutung.

Die sogenannte digitale Revolution bedeutet also weder das Ende der Industrie noch das Ende der Arbeit. Im Gegenteil schafft sie vielmehr die Voraussetzungen für eine neue Qualität der Industrialisierung, die zunehmend auch sämtliche Bereiche der Angestelltenarbeit erfasst. Diese Bereiche sind ihrem Wesen nach Bestandteil der Produktionsinfrastruktur und die in diesem Bereich beschäftigten Werktätigen leisten überwiegend unmittelbar produktive Arbeit im Sinne der Produktion – und nicht nur der Umverteilung – von Mehrwert.

Es kommt zu einem Übergang größerer Teile akademisch gebildeter Mittel­ schichten in die Arbeiterklasse – und zwar bis hinein in die industriellen Kerngruppen, die die entscheidende Rolle für die gewerkschaftliche und politische Mobilisierungs- und Handlungsfähigkeit der Arbeiterklasse insgesamt spielen. Diese in den letzten Jahrzehnten stark angewachsenen neuen Gruppierungen der Lohnabhängigen gehörten bislang nur in geringem Umfang zur Arbeiterklasse im engeren Sinne.

Ihr Hauptteil unterschied sich in wichtigen Klassenmerkmalen sowohl von der Bourgeoisie als auch – trotz des Status der Lohnabhängigkeit – von der Arbeiterklasse. Nach Einkommensgröße, Bildungsniveau und Stellung in der Gliederung der gesellschaftlichen Produktion standen diese Teile der Werktätigen und des „gesellschaftlichen Gesamtarbeiters“ zwischen den beiden Hauptklassen Proletariat und Bourgeoisie.

Diese neuen Teile der Arbeiterklasse und des sich ebenfalls verändernden Klassen­kerns verlieren je nach Grad ihrer Qualifikation und Stellung in der Organisation der Arbeit und Betriebe alte Privilegien und soziale Vorteile. Auch der Besitz eigener Produktionsmittel (zum Beispiel in Form eines Laptops oder eigener anderer elektronischer Arbeitsgeräte) schützt sie nicht vor den üblichen Unsicherheiten
der traditionellen Schichten der Arbeiterklasse. Sie leben zum Teil als Schein- oder Solo-Selbstständige und haben dann teilweise unterdurchschnittlichen Verdienst, schlechte soziale Absicherung oder nur sehr kurzfristige Zeitverträge.

So bringt die Digitalisierung unter den Bedingungen der kapitalistischen Lohn­arbeit und Erwerbstätigkeit ein digitales Prekariat hervor, das ein Leben am Rande des Existenzminiums führt. Diese modernen Proletarier verfügen über kein historisch gewachsenes Verhältnis zur Arbeiterbewegung. Daraus resultiert eine relativ große Distanz zu ihren Organisationen und Institutionen sowie eine gewisse klassenpolitische Orientierungslosigkeit.

 

IV. Widersprüche und Gegenkräfte zur Offensive des Imperialismus

Die Offensive des Monopolkapitals bestimmt nach wie vor die gegenwärtige Etappe in ihrer gesamten Widersprüchlichkeit. Die unüberwindlich scheinende Überlegenheit der imperialistischen Sieger im Klassenkampf gegen den Sozialismus und die internationale Arbeiterbewegung zeigt jedoch Risse. Die inneren Widerstände gegen die Kapitaloffensive gewinnen an Struktur und Dynamik.

Auf der Linken formieren sich in wichtigen Ländern wie den USA, Großbritannien und Frankreich starke Reform- und Sammlungsbewegungen, die Alternativen zur Austeritäts- und Privatisierungspolitik und mehr Demokratie durchsetzen wollen. Es entwickeln sich, wenngleich noch unzureichend und deutlich zu schwach, Kampf- und Widerstandsaktionen der organisierten Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung gegen die sozialreaktionären Angriffe auf den Lebensstandard, die Untergrabung von Tarifvereinbarungen, Massen­ ent­­lassungen, die Zerschlagung der sozialen Sicherungssysteme und die Be­schneidung der Rechte von Gewerkschaften auf freie Betätigung.

Vielen dieser Kämpfe mangelt es noch an Klarheit über den wirklichen Gegner, man­che haben einen ständischen Charakter. Teilweise dominiert die Standortlogik, die die Konkurrenz innerhalb der Klasse und nationalistische Stimmungen noch ver­stärkt.

Kommunistische Parteien sind an vielen dieser Abwehrkämpfe beteiligt, werden oft aber nur am Rande wahrgenommen. Ausnahmen sind in Europa Belgien, Griechenland, Portugal, Tschechien und Zypern, in denen Kommunistische Parteien Masseneinfluss besitzen. In anderen Regionen haben Kommunistische Parteien weiterhin, teilweise sogar bedeutsamen, Einfluss: in Brasilien, Indien, Japan, Nepal, der Russischen Föderation, Südafrika und Chile. In einigen Ländern (China, Kuba, Laos und Vietnam) regieren kommunistische Parteien.

Die führenden imperialistischen Mächte sind sich einig in ihrer Strategie der Einkreisung der Russischen Föderation und der Volksrepublik China. Dies stellt heute die Hauptkriegsgefahr dar. Wenn die VR China und die Russische Föderation ihre Souveränität gegen diese Einkreisungspolitik verteidigen, ist dies nicht nur legitim, sondern liegt objektiv auch im Interesse der Friedensbewegung und der antiimperialistischen Kräfte der Welt. Dabei übersehen wir keineswegs, dass die Russische Föderation ein kapitalistisches Land ist; aber es wird bedroht wegen seiner auf Souveränität und Verteidigung der Charta der Vereinten Nationen ausgerichteten Außenpolitik.

Durch die antirussische und antichinesische Ausrichtung der NATO und ihre Ausdehnung bis unmittelbar an die Westgrenzen der Russischen Föderation wächst die Gefahr, dass sich regionale Stellvertreterkriege zu einer Konfrontation zwischen dem größten imperialistischen Kriegspakt NATO auf der einen und der Russischen Föderation und China auf der anderen Seite zuspitzen.

Die Zunahme zwischenimperialistischer Widersprüche und die Rolle des deutschen Imperialismus

Doch auch die Konflikte zwischen den imperialistischen Hauptländern sind nicht mehr zu verbergen. Die US-Bourgeoisie will die europäischen Staaten stärker an den Militär- und Kriegskosten ihres überdehnten Imperiums beteiligen. Mit dem „Brexit“ verlässt erstmals ein Land die EU. Die Macht des Monopolkapitals als Spitzensektor der Kapitalistenklasse ist durch diese Risse aber nicht gefährdet.

Auch die herrschende Klasse in einem imperialistischen Land ist kein homogener Block. Gerade zu der Frage nach dem Verhältnis zur Russischen Föderation und der Sorge um den Frieden in Europa hat es in der jüngeren Vergangenheit Stimmen aus der Bourgeoisie gegeben, die sich aus unterschiedlichen Motiven um Kooperation und Ausgleich mit der Russischen Föderation anstelle einer gefährlichen Konfrontation bemüht haben.

Wie ambivalent sich solche Konstellationen gestalten können zeigen die USA, wo sich mit Donald Trump ein erklärter Vertreter des Großkapitals bei den Präsidentschaftswahlen durchgesetzt hat, der jedoch massiv vom militärisch-industriellen Komplex und den „Falken“ der US-Außenpolitik für seine vorsichtigen Annäherungsversuche an die Russische Föderation bekämpft wird. Für die fortschrittlichen Kräfte ist es von zentraler Bedeutung, in solchen elementaren Fragen zu differenzieren, bestehende Widersprüche in der Bourgeoisie zu vertiefen und für den Erhalt des Friedens zu nutzen.

Das imperialistische Deutschland setzte nach 1945 zu keiner Zeit auf einen eigenständigen Weg gegenüber der NATO, sondern akzeptierte die Rolle der USA als die eines wohlwollenden Hegemonen. Entsprechend seines besonderen ökonomischen Gewichts strebt der deutsche Imperialismus aber zunehmend nach größerer Eigenständigkeit. 2013 forderte die Studie „Neue Macht – neue Verantwortung“ der Stiftung Wissenschaft und Politik eine deutlich aggressivere deutsche Außenpolitik, die, an der Seite der USA, in der Ukraine umgehend praktiziert wurde.

Demnach sollen bewährte Partnerschaften Vorrang haben vor den Beziehungen zu den aufsteigenden Mächten. Deutschland müsse Mächte wie Russland einbinden „oder sie einhegen, indem es sie in ihrem Handlungsspielraum einengt“. Die NATO sei ein „Kräfteverstärker für deutsche sicherheitspolitische Interessen“. Russophobie und Sanktionen gegen die Russische Föderation, die Bundeswehr an den EU-Ostgrenzen, das stärkere Engagement in Nahost und Afrika folgen dieser Strategie.

Die Wahl Donald Trumps wird genutzt, um die in der BRD ohnehin geplante massive Erhöhung der Rüstungsausgaben als Beitrag zur Verteidigung der „Werte und Prinzipien des Westens“ zu verklären. Zurzeit summieren sich die Rüstungsausgaben Großbritanniens mit 55,5 Milliarden, Frankreichs mit 51 Milliarden und der BRD mit 40 Milliarden auf etwa ein Viertel des US- Rüstungshaushalts von 600 Milliarden Dollar. Die Bundesregierung will künftig ihre Ausgaben schrittweise auf die von der NATO geforderten 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufstocken. Angesichts der Unsicherheit über den US-Kurs unter Trump wird erneut mehr europäische Autonomie gefordert.

Die forcierte Aufrüstung der Bundeswehr kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der US-Imperialismus in militärischer und auch ökonomischer Hinsicht auf absehbare Zeit die führende Kraft im imperialistischen Lager bleiben wird, der sich die deutsche Monopolbourgeoisie unterordnet, um ihre expansiven Interessen im Weltmaßstab durchzusetzen und ihre Rolle weitere auszubauen.

Die DKP bezieht Position gegen die sogenannte Äquidistanzthese, nach der die aggressive NATO-Strategie und die Art, wie Russland sich dagegen verteidigt, auf eine Stufe gestellt werden. Sie grenzt sich ab von sogenannten antideutschen Bewegungen und Positionen, die unter Negierung von deren imperialistischem Charakter die USA und deren Haupt- und Juniorpartner im Nahen Osten, Israel, gegen angeblichen Antiamerikanismus bzw. Antisemitismus verteidigen.

Das imperialistische Staatenbündnis EU unter Vorherrschaft des deutschen Imperialismus

Die EU war von Anfang an ein imperialistisches Bündnis. Sie wurde gegründet auf Betreiben des US-Imperialismus und im Interesse der herrschenden Klassen in den Kernländern des kapitalistischen Europa. Sie und ihre Vorläufer standen und stehen in den Traditionen des Strebens des deutschen Monopolkapitals nach einer Kontrolle über den großeuropäischen Wirtschaftsraum. Trotz konkurrierender Interessen untereinander waren sich die imperialistischen Mächte vor allem einig in der Schaffung eines Bollwerks gegen den realen Sozialismus.

Der deutsche Imperialismus hat sich dem Versuch seiner Einhegung durch eine Einbindung in die EU erfolgreich widersetzt und mit der Einverleibung der DDR und aufgrund der unangefochtenen Konkurrenzfähigkeit der deutschen Konzerne den Kampf um die Vorherrschaft in der EU gewonnen. Er nutzt die EU und den Euro als Instrumente, um mit seiner Exportorientierung die EU, vor allem deren Peripherie, zu seinem Hinterhof zu machen bzw. als Ausgangsbasis für seine Rolle als globale Wirtschaftsmacht zu nutzen. Gegenwärtig wirkt der deutsche Imperialismus auseinandertreibenden Tendenzen in der EU entgegen, indem er sich zum Vorreiter der gemeinsamen Militarisierung und Abschottung der EU-Außengrenzen macht und im Bündnis mit Frankreich einen Kontrapunkt gegenüber der Politik des derzeitigen US-Präsidenten Trump setzen will.

Das imperialistische und reaktionäre Konstrukt EU, das haben vor allem die arbeitenden Menschen in den schwächer entwickelten Peripheriestaaten der EU leidvoll erfahren, lässt sich weder auf irgendwelche fiktiven demokratischen und sozialen Ursprünge zurückführen noch in ein Instrument für eine soziale und progressive Politik verwandeln. Deshalb ist der Kampf gegen die Aufgabe weiterer nationaler Souveränität zugunsten der Machtbefugnisse des EU-Ministerrats, der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank und informeller Gremien wie der Eurogruppe zu führen, der perspektivisch in einen Austritt aus der EU und der Eurozone münden muss. In Deutschland ist die Verteidigung der demokratischen und sozialen Elemente des Grundgesetzes dabei ein entscheidendes Kampffeld.

Rolle des Nationalismus als Spaltungsinstrument im Interesse der Monopole

Die DKP sieht es als ihre Aufgabe an, Formen der nationalen Demagogie entgegenzutreten, mit denen reaktionäre Kräfte unter dem Deckmantel der Kritik am US-Imperialismus oder seiner Protagonisten für nationale Interessen Deutschlands werben, damit aber die Interessen der deutschen Monopolbourgeoisie meinen. Dazu gehört auch, dass die DKP die Stationierung von US-Atomwaffen und -Militärbasen auf deutschem Boden, von denen aus völkerrechtswidrige Angriffskriege geführt werden, als Verstoß gegen das Grundgesetz und somit als Verstoß gegen die nationale Souveränität der BRD benennen.

Reaktionäre und faschistische Bewegungen bilden eine Reserve der Mono­polbourgeoisie, um die Arbeiterbewegung und demokratische Kräfte zu unterdrücken und zu spalten, unter anderem durch Rassismus und Chau­vinis­mus in verschiedensten Spielarten. Sie bereiteten und bereiten den Boden vor für die Errichtung einer brutalen Diktatur der reaktionärsten Sektoren der Monopolbourgeoisie, die sich vor allem – aber nicht nur – gegen konsequent systemkritische, sich am Marxismus und Leninismus orientierende Kräfte richtet, die aber darüber hinaus größere Teile der kleinbürgerlichen Mittelschichten und auch Teile der Bourgeoisie bedroht.

Diese Rolle reaktionärer und faschistischer Bewegungen darf gleichzeitig nicht darüber hinwegtäuschen, dass „vor der Errichtung der faschistischen Diktatur die bürgerlichen Regierungen in der Regel eine Reihe von Vorbereitungsetappen durchlaufen und eine Reihe reaktionärer Maßnahmen durchführen, die den Machtantritt des Faschismus unmittelbar fördern. Wer in diesen Vorbereitungsetappen nicht gegen die reaktionären Maßnahmen der Bourgeoisie und gegen den anwachsenden Faschismus kämpft, der ist nicht imstande, den Sieg des Faschismus zu verhindern, der erleichtert ihn vielmehr.“
(Georgi Dimitroff)

Der Faschismus ist eben nicht nur ein Feind der revolutionären Arbeiterbewegung, sondern strebt auch die Liquidierung der Errungenschaften der bürgerlichen Demokratie an, die die revolutionäre Arbeiterbewegung „wie die Luft zum Atmen“ braucht (Friedrich Engels) und verteidigen muss. Daraus erwachsen Bündnismöglichkeiten die im Rahmen der antimonopolistischen Orientierung
der DKP einen nicht unbedeutenden Platz einnehmen.

Wenn die nationale Frage die Klassenfrage überdecken soll, wie es schlechte bürgerliche Tradition ist, dann setzen wir Kommunistinnen und Kommunisten dem die Erfahrung der gemeinsamen Bedrängnis der Arbeiterklasse und der werktätigen Schichten des Volkes, der gemeinsamen Ausbeutung durch das Monopolkapital entgegen. Dabei ist es unerheblich, ob an die Stelle des traditionellen deutschtümelnden Nationalismus die „aufgeklärtere“ Variante des EU-Nationalismus tritt oder eine Kombination aus beidem. Alle drei Varianten bilden für die Verfestigung der Herrschaftsansprüche der imperialistischen Bourgeoisie im eigenen Land und in der EU eine zentrale Rolle.

Nationaler Nihilismus, die Kehrseite des Nationalismus, wie er in weiten Teilen der kleinbürgerlichen Linken vorherrscht, ist mit dieser Strategie der Spaltung kompatibel und stützt – gewollt oder nicht – die imperialistische Offensive. Damit haben Kommunistinnen und Kommunisten nichts zu tun. Wir gehen vom Primat des Klassenkampfes aus, der zugleich national und international zu führen ist. Die „fremdländischen“ Mitstreiterinnen und Mitstreiter sowie die „ausländischen“ Kolleginnen und Kollegen stehen uns näher als jeder deutsche und ausländische Ausbeuter.

 

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